Warum steht das „Pariser“ immer noch leer?

img_4525

Das als „Pariser“ bekannte Haus in der Kapaunenstraße 20 wurde in den 90er Jahren als  Jugendprojekt aufgebaut und hat danach diverse Entwicklungen erlebt.
Zuletzt hat der Verein „Initiative Kapaunenstraße 20“ das Gebäude betreut. Der Verein konnte jedoch seit 2013 eine angebotene Kaufoption für das Pariser nicht nutzen und auch kein verlässliches Konzept für die Jugendarbeit nachweisen. Die Stadt hat daraufhin den Mietvertrag mit dem Verein gekündigt – seitdem steht das Pariser leer. Die Stadtverwaltung verfolgte anschließend den Plan, das Pariser zu verkaufen.
Damit im Pariser weiterhin Jugend- und Sozialarbeit geleistet werden kann, hat die  Bürgerschaft jedoch beschlossen (B188-07/15) dass dieser Zweck an den Verkauf des Gebäudes gekoppelt sein soll.

Es folgte ein „Interessenbekundungsverfahren“, an dem sich der „Verein zur Förderung solidarischer Lebensgestaltung“ (SoLe e.V.) beteiligt hat, wie Vereinsmitglied Torsten Galke erklärt:

„Die genannten Bedingungen schienen uns nicht sehr attraktiv. Da aber eine soziale Nutzung vorgesehen war, dachten wir uns mit der Stadt einigen zu können. Darum haben wir ein Angebot gemacht und ein Konzept vorgestellt, wie wir das Haus sanieren und soziale Arbeit vor Ort leisten wollen. Die Sanierung wäre dabei schon ein Teil des Projektes gewesen.“

Die Informationen zum Interessenbekundungsverfahren besagten, dass das denkmalgeschützte Gebäude mit 75 m² Nutz- und 25 m² Abstellfläche vom Interessenten saniert werden sollte. Die Kosten für diese Sanierung sollten sich durch die hohen Auflagen der Stadt auf 200.000 bis 250.000 Euro belaufen. Anschließend sollte ein 5-jähriger Pachtvertrag abgeschlossen werden. Selbst, wenn es gelänge die volle Fläche des Gebäudes nutzbar zu machen, lägen die Kosten folglich bei 2.000 bis 2.500 Euro pro Quadratmeter. Interessenten wären anschließend zudem mit Pachtzinsen belastet worden. Wollte man die Sanierungskosten als Miete auf die kurze Pachtzeit umlegen, so ergäben sich Kaltmieten von über 40 Euro pro Quadratmeter.

„Wir hatten vor, das Pariser mit geflüchteten und deutschen Jugendlichen gemeinsam zu sanieren und so die Integration der Geflüchteten und die interkulturelle Kompetenz der deutschen Jugendliche schon in dieser Phase des Projektes zu verbessern. Außerdem hätten sich so niedrigere Kosten für die Sanierung ergeben. Die Stadt hätte das Ganze nichts gekostet. Sowohl für die soziale Arbeit als auch für die Sanierung wären wir als Verein aufgekommen.“

Obwohl die Stadt so mehrere Probleme durch die Mitarbeit des Vereins hätte lösen können, fand der Vorschlag wenig Zustimmung in der Verwaltung:

„Uns fehlten die Worte als wir die Bedingungen und  Forderungen der Stadtverwaltung an unseren Verein lasen. Die Verwaltung hat alle möglichen Stolpersteine ausgegraben. Lösen sollten diese Probleme aber wir als Verein. Die Planung der Bausauführung sollten beispielsweise durch ein Planungsbüro vorgelegt werden. Wir sollten bereits Nachweise für Mittel erbringen, die wir noch gar nicht beantragt hatten. Auch unser Planungsstand für die Sanierung wurde kritisiert, obwohl wir nur eine kurze Begehung des Hauses zur Orientierung hatten. Die vielen Auflagen sind auch ein Anzeichen dafür, dass unsere Grundidee der Sanierung in Eigenleistung nicht berücksichtigt wurde. Die Kosten für diese Forderungen der Stadtverwaltung gehen in die Tausende und Zehntausende. Derart umfangreiche Vorleistungen sind für einen Verein kaum leistbar, zumal wir nur sechs Wochen Zeit hatten zu reagieren. Darum haben wir einen Kompromissvorschlag verfasst.

Wir haben dann jedoch aus der Ostsee-Zeitung erfahren, dass unser Konzept nicht nachhaltig sei. Fehlende Businesspläne und eine nicht ausreichende Darstellung der Finanzierung der Stellen sollen das Problem sein. Tatsächlich konnten wir, wie von der Stadtverwaltung gefordert, aber bereits 60.000 Euro an Eigenmitteln nachweisen, mit der wir die Sanierung hätten umsetzen können.  Eine schriftliche Antwort liegt uns aber bislang nicht vor.

Unserer Ansicht nach ist es nicht die Aufgabe der Stadtverwaltung das unternehmerische Risiko unseres Vereins einzuschätzen. Wie wir das Projekt  finanzieren, ist unsere Angelegenheit und wurde auch ausreichend dargestellt. Wir haben erwartete Einnahmen absichtlich sehr niedrig angesetzt, um zu zeigen, dass es auch bei einer ungünstigen Entwicklung möglich ist, den Betrieb aus eignen Mitteln zu stemmen. Unsere Finanzierung daher als nicht nachhaltig abzutun, empfinden wir als unangemessen.

Das Ganze lenkt davon ab, was hier eigentlich passiert ist. Ein inhaltlich als positiv bewertetes soziales Projekt zur Integration von Geflüchteten wird mit so hohen Auflagen belegt, dass es schon im Keim erstickt wird. Die Stadtverwaltung hatte hier die Chance, eine soziale Initiative zu stärken und zu fördern. Stattdessen hat sie das Projekt gekonnt verhindert.“

Das Pariser am 19.10.2016

Anlagen

B188-07/15
Interessenbekundungsverfahren
Konzept der SoLe e.V.
Reaktion der Stadt auf die Bewerbung
Antwort des Verein auf die Forderungen der Stadtverwaltung