Uniformierte Rassisten bei
informierten Krankenhausrettern

die erste FFDG-Demonstration (unangemeldet) im September 2015

Plötzlich waren sie hier: auf unserem  Marktplatz einer weltoffenen Universitätsstadt, die von Grund auf bis in alle Nischen hinein von Internationalität und Mitmenschlichkeit, Fortschritt und Wissen geprägt ist oder zumindest sich so versteht. Die Patrioten gegen die Islamisierung des Abendlandes, die Identitären und freien Kameradschaftler, die rechten Wutbürger und wirren Reichsbürger, die Neurechten und Neonazis, die Hetzer und Postfaktizisten waren nun genau hier. Sie versammelten sich unangemeldet, per Internet verabredet. Mit Teleskopschlagstöcken sowie abgebrochenen Flaschen bewaffnet suchten sie gezielt das Zentrum und Ziel ihres Hasses heim.

Ihr Hauptredner fiel schon seit einigen Jahren durch rechte Verschwörungstheorien bei Facebook auf, wo er die Vergiftung der Bevölkerung mit Chemtrails den Zionisten zuschrieb und die BRD GmbH als Versklavung der Deutschen geißelte.

Veranstaltung des Bündnis „Greifswald für Alle“ am 01.05.2016

Was tun? fragte sich das zivilgesellschaftliche Greifswald, das in aller Eile Widerspruch zu diesen rechtsradikalen Ideologen auf die Beine stellte. Machen diese nachweislich vorbestraften Neonazis und IchbinkeinNaziaber-Mitmarschierenden das jetzt jede Woche und was treibt sie auf die Straßen? Werden sie Gewalt anwenden; die Bevölkerung mit ihren Lügen verhetzen? Wie antworten wir darauf? Welche Form des Widerspruchs gegen Menschenverachtung und Lügen ist am besten? Um diesen Fragen theoretisch anspruchsvolle und praktisch einfach nur wirksame Antworten geben zu können, gründete sich das überparteiliche Bündnis „Greifswald für Alle“.

Die Bündnismitglieder organisierten Proteste und Gegendemos, Gedenkgänge und Diskussionsrunden, große Feste mit über 2.000 Besuchern und kleine, spontane Mahnwachen. Sie luden Universitätsvertreter, gleich zwei Oberbürgermeister, Landes- und Kommunalpolitiker, Kulturschaffende, Studierende, Rentner, Lehrer, Schüler, Juristen, Selbstständige, Arbeitslose und etliche andere gesellschaftliche Akteure und Bürger zu den meistens sehr gut besuchten Veranstaltungen ein, um sich klar für Weltoffenheit und Toleranz auszusprechen. Denn die selbsternannten „Asylkritiker“, die eine Mischung aus der von NPD-Kadern angeführten „MVGIDA“-Bewegung, Rechtsextremisten der Gruppierung „Greifswald wehrt sich“ und einer rechtspopulistisch bis rechtsradikal eingestellten Truppe mit dem verschleiernden Namen „Frieden, Freiheit, Demokratie, Gerechtigkeit“  darstellten, waren nun im Wochenrhythmus auf den Straßen Greifswalds unterwegs.

FFDG-Demonstration mit Maik S. (ehem. NPD-Kreisvorsitzender, derzeit bei einem bundesweiten Verein für Rechtsextreme)

Was man dort zu hören bekam, wenn der FFDG-Sprecher seine Reden verlas, war aber nicht das, was man von PEGIDA aus Dresden kannte, sondern bei weitem radikaler. Hier wurde verkündet, dass Flüchtlinge AIDS brächten, dass Homosexuelle geistig krank seien, dass man die Gegendemonstranten „an die Wand stellen“ solle (originaler Mitschnitt des NDR), dass die Kriegsschuld Deutschlands eine Erfindung sei, dass es die Juden seien, die den Deutschen eine Umvolkung aufzwängen, dass wir uns im Rassenkrieg befänden, dass die BRD eine GmbH sei und keine Verfassung hätte, dass die Pogrome auslösenden „Protokolle der Weisen von Zion“ ein tatsächlich wahrer Plan wären und die Juden sich von den Weltbeherrschungszielen distanzieren sollten. Es ist so widerlich, hetzerisch und verlogen, dass viele sich fragen, woher diese Menschen den unfassbaren Antrieb haben, solche gefährlichen Ideologieversatzstücke, die den mörderischsten Zeiten der Weltgeschichte entstammen, in Mikrofone zu brüllen. Ist es purer Hass auf das Fremde, auf unsere Gesellschaft, auf Menschen generell? Ist es die jahrelange Indoktrination durch das Internet mit seinen postfaktischen selbstbezüglichen Parallelwelten? Oder ist es die reine Profilierungssucht mittels bewusster Lügen, um politische Macht zu organisieren?

Es ist von allem ein bisschen. In direkten Gesprächen mit FFDGisten erfährt man, dass diese nämlich zutiefst überzeugt davon, dass der Holocaust eine Lüge sei, dass Flüchtlinge Deutschland zerstören wollen. Sie glauben das wirklich. Es ist aber nicht selbst erdacht in all seinen Abscheulichkeiten, denn gibt man ihre Demo-Reden bei Google ein, so findet man schnell heraus, von wo sie diese wortwörtlich abschrieben. Man sieht, in welchen Wahnwelten diese Leute gefangen zu sein scheinen; es sind zum großen Teil klar rechtsradikale Internetseiten des schwersten Grades von Volksverhetzung. So kann man ihr Ideologiegebäude nachzeichnen und muss zweifelsfrei feststellen, dass es sich hier um Propaganda handelt, die noch vor wenigen Jahren nur der NPD zugeschrieben wurde.

Schaut man sich aber nun an, wo die FFDG-Anführer und ihre Gefolgsleute sich parteipolitisch anzubinden versuchen, so zeichnet sich schnell ab, dass es sich hier im Kern um eine kleine Clique aus teilweise Unpolitischen aber auch ehemaligen CDUlern handelt, die sich nun gezielt in der AfD oder ihrem Umfeld betätigen. So scheinen also mörderische Ideologie und die Gier nach Macht sich zu vereinen.

Beispiel eines FFDG-Beitrags im Internet (andere Beispiele zeigen, dass Flüchtlinge mit Affen verglichen werden oder ihnen Selbstmord gewünscht wird)

Und daher könnten die bereits heute in Unterzahl befindlichen gemäßigten AfDler ihr eigenes Projekt schon bald nicht mehr in der Hand haben, denn die Rechtsradikalen und Neonazis sind dabei, nach mehr als nur mäßig erfolgreichen Straßendemonstrationen zu greifen. Wer den Weg  der FFDG und der AfD verfolgt und die schleichende organisatorische und ideologische Ausbreitung sieht, erkennt dies allzu deutlich.

Aber nicht nur in der AfD versuchen sie, einen Bündnispartner für ihre Ziele zu finden. Seit einem Jahr unterwandern und vereinnahmen sie gezielt die Bürgerinitiative „Für den Erhalt des Kreiskrankenhauses Wolgast“. Dies löste zwar zwischenzeitlich Konflikte innerhalb der BI aus und zeitweilig wurde die FFDG von den Veranstaltungen der BI verbannt, nachdem diese lautstark menschenverachtende Parolen brüllten, deren Inhalte gar nichts mit dem Kreiskrankenhaus zu tun hatten. Doch diese Distanzierung währte nicht lange und nach dem Versprechen, sich künftig ausschließlich nur noch zu den Zielen der Krankenhausretter zu äußern, durften die rechten Ideologen wieder mit dabei sein. Behilflich war hierbei insbesondere materielle Hilfestellung für die finanziell klamme Bürgerinitiative, wie offen zugegeben wird.

Was führte aber dazu, dass die FFGDisten von ihrer Hetzerei per pedes im Sommer sein ließen und sich auf Facebookaktivitäten und das Einmischen in die Wolgaster Proteste umorientierten? Die Antwort ist neben der demütigenden Erfolglosigkeit auf den Greifswalder Straßen: Es geht um ein Politikum und um die Deutungshoheit, ob das Krankenhaus von der verhassten Merkel-Deutschland-Zionisten-GmbH bedroht wird oder die Teilschließung Opfer einer bürokratisch-rationalen Entscheidung im politischen Prozess mit ökonomistischem Ungleichgewicht ist, dessen sich GRÜNE und LINKE vornehmlich als Opposition mit sozialem Gewissen annehmen. Geht es also um die Rettung des reinen arischen Volkes, wenn die Geburtshilfe-Abteilung wiedereröffnet werden soll – oder geht es um soziale Forderungen nach ausreichender Gesundheitsinfrastruktur im ländlichen Raum? Den rund 70 Wolgaster Bürgern, die sich als treuer Kern zu den wöchentlichen Mahnwachen zum Erhalt aller Abteilungen einfinden, ist diese Frage unwichtig, solange das Hauptproblem für sie ist, die restlichen ca. 40.000 Einwohner des direkten Einzugsgebiets zu ihren Veranstaltungen zu bewegen. Doch kann man dieses Problem wirklich vernachlässigen? Sind die 5 bis 8 FFDGisten und das durch materielle sowie organisatorische Unterstützung erkaufte Mitwirkungsrecht es wirklich wert?

Eine Bürgerinitiative, die mit Rechtsradikalen paktiert, dürfte doch deutlich weniger Chancen haben, Gehör bei den Entscheidern zu finden; stets können in Verhandlungs- und Beratungsrunden Andeutungen auf die falschen Freunde benutzt werden, um andere politische Projekte vorzuziehen. Aus strategischer Sicht könnte gar die Vereinnahmung von Rechts gutgeheißen werden. Es geht schließlich in der vollends durchökonomisierten Gesundheitswirtschaft immer auch um sehr viel Geld, für das man bereit ist, Image-Schäden eines Standorts als willkommene Entscheidungsgrundlage zu verwenden. Das Kalkül, dass man das Erstarken der Rechtspopulisten durch eine stärkere politische Berücksichtigung Vorpommerns mindern oder verhindern können wollte, steht dem Kalkül entgegen, dass man den Rechtspopulisten, die offenbar den Kampf um das Wolgaster Krankenhaus zu ihrer Sache machen wollen, keinen Erfolg ermöglichen will. Die AfD als Partei hatte sich lange Zeit wenig um die Belange in Wolgast gekümmert, aber umso deutlicher dann nach dem Einzug in den Schweriner Landtag.

Die FFDGisten in Greifswald und Wolgast stehen offen dazu, AfD-Mitglieder geworden zu sein, laden AfD-Politiker zu ihren Kundgebungen ein, besuchen geschlossen AfD-Veranstaltungen, rufen zur AfD-Wahl auf. Dies stieß durchaus auf Unmut, da etliche FFDG-Teilnehmer noch in Treue zur NPD standen und die Hinwendung zur AfD als Aufweichung der ideologischen Positionierung missverstanden. Die Teilnehmerzahlen sanken bis auf 30 Getreue nach einer Reihe von Abspaltungen, Ausgrenzungen und inneren Zerwürfnissen, nach rhetorischer und programmatischer Radikalisierung der FFDG und gleichzeitigem Fallenlassen der NPD als favorisierte Vertretung in den Parlamenten. Man entschloss sich, die Märsche und Hetzreden auf Greifswalds Straßen vorübergehend zu beenden und sich per Mimikry-Strategie erfolgsorientierter dem Kampf um Köpfe und Parlamente zu widmen.

Der Vorstand der Bürgerinitiative, die anfangs vor allem von links engagierten Mitstreitern geprägt war und auch Geflüchtete mit einbezog, um ihre Forderungen deutlich zu machen, verlor einige ihrer Mitglieder, die den Rechtsschwenk deutlich kritisierten, und betont mittlerweile öffentlich, dass sie ihre Kooperation mit der FFDG fortsetzen will. Anlass hierfür war insbesondere das Bündnis „Greifswald für Alle“, das jüngst  einen Öffentlichen Brief verfasste, in dem es über die Vorgänge in Wolgast informierte und um eine Positionierung der Kreistags- und Landtagsparteien zur Unterwanderung der FFDG gebeten wurde. Die Parteien hielten sich größtenteils bedeckt; der Vorstand der Bürgerinitiative, der das Schreiben in Kopie erhielt, aber reagierte umso deutlicher und warf dem Bündnis „Pogromhetze“ vor.

Antisemitismus bei der FFDG als Grundlage ihrer Ideologie: Juden als Sündenbock für die konkrete Flüchtlingssituation, für Kapitalismus und Sozialismus, für Moderne und Globalisierungmenschenverachtende Ideologie, um Krankenhäuser mit Kriegsversehrten zu füllen, um medizinische Versuche an lebenden Menschen in Konzentrationslagern vorzunehmen, um Krankenhäuser zu zerstören, weil sie im falschen Land stehen, um Millionen Menschen in Krieg und Elend zu stürzen, um Kinder zu Waisen zu machen und Eltern ihre Kinder für immer zu nehmen.

Pogromhetze aber war der Gegenstand der letzten Rede der FFDG auf Greifswalder Straßen, als sie mit größtmöglicher akustischer Wucht die Bevölkerung davon in Kenntnis setzen wollte, dass die Juden sich davon distanzieren sollten, dass aus ihren Reihen nicht nur der erste und zweite Weltkrieg startete, sondern auch der dritte Weltkrieg vorbereitet würde (der originale Redetext liegt als Mitschnitt vor). Benutzt wurde vor fast 80 Jahren diese massenmordende, volksverhetzende, menschenverachtende Ideologie, um Krankenhäuser mit Kriegsversehrten zu füllen, um medizinische Versuche an lebenden Menschen in Konzentrationslagern vorzunehmen, um Krankenhäuser zu zerstören, weil sie im falschen Land stehen, um Millionen Menschen in Krieg und Elend zu stürzen, um Kinder zu Waisen zu machen und Eltern ihre Kinder für immer zu nehmen.

Niemand, der sich ernsthaft für ein Krankenhaus und für Mütter und Kinder einsetzt, kann guten Gewissens mit einer Organisation paktieren, die eine Ideologie verbreitet, die in der Geschichte für Tod und Zerstörung verantwortlich war und Grundlage eines neuen Völkerhasses und Rassenwahns sein kann. Ein von Teilschließung bedrohtes Krankenhaus braucht engagierte Bürger, braucht gute Ärzte und Mitarbeiter, braucht soziale Politik und eine starke, glaubwürdige Lobby. Aber keine auf Völkerhass gegründete Ideologie und keine in FFDG-Uniformen auftretenden Hetzer.

Weiterführende Infos:

Artikel über eine FFDG-Demo

Artikel über den Offenen Brief zur BI Wolgast

Artikel über interne Streitigkeiten FFDG & „Greifswald wehrt sich“

Artikel über Proteste gegen FFDG

Artikel über den ersten Aufmarsch von FFDG & MVGIDA

Artikel über Gegenproteste in Schönwalde

Artikel über unfreiwilligen Spendenlauf der FFDG

Artikel über FFDG-Demonstration

Artikel über Rassismus und FFDG

Artikel über MVGIDA

Artikel über Gegendemostration von Greifswald für Alle

Artikel über Sammelklage gegen Bundesregierung

Artikel über die FFDG in Greifswald (webmoritz)

Kritischer Artikel zur AfD (Greifswald nazifrei)

Artikel zur Gegendemo (Greifswald nazifrei)

Beitrag zur BI Wolgast und FFDG (NDR)

Bericht über größere Demonstration in Wolgast (NDR)

Ablehnung der FFDG in der Greifswalder Bürgerschaft (OZ)

FFDG-Mahnwache stört Bürgersprechstunde (OZ)

FFDG-Hauptredner und Hitlerfotos (OZ)

Offene Briefe:

Der Offene Brief von Greifswald für Alle zur FFDG

Offener Brief zur FFDG bei der BI Wolgast

Antwort der BI

Antwort an die BI Wolgast

Vorpommerscher Appell