Eine Mahnwache des AStA am 12.02.17 setzte gemeinsam mit dem Bündnis „Greifswald für alle“ ein klares Zeichen

Fast 300 Studierende, Universitätsmitarbeitende und nichtuniversitäre Bürger Greifswalds demonstrierten für Solidarität, Verständigung und Weltoffenheit. (Foto: Till Junker)

Für die Universität – Für Greifswald – Für Menschenrechte

Am Rubenowplatz sammelten sich die Studierenden und Universitätsmitarbeiter und starteten einen Demonstrationszug zum Marktplatz. (Foto: Alexander Lenz)

„Sich auf dem Marktplatz bei Temperaturen unter Null für mehr Toleranz und ein weltoffenes Greifswald auszusprechen, ist das überparteiliche Bündnis „Greifswald für alle“ seit dem Herbst 2015 ja gewohnt“ berichtet Christoph Volkenand, Pressesprecher des Bündnisses. „Dass diesem Ruf die Greifswalderinnen und Greifswalder auch an einem Sonntag folgen möchten, um sich mit den Studierenden und Mitarbeiter*innen der Universität zu solidarisieren und für eine demokratische, menschenwürdige und inklusive Stadtgesellschaft einzusetzen, das ist ein wirklich starkes und hoffnungsvolles Zeichen. Während des Demonstrationszuges und der Kundgebung bewiesen das heute zwischen 250 und 300 Bürger*innen mit viel Sachlichkeit, guter Laune und einem großen Aufgebot intelligenter Reden“, so Volkenand am Ende der Veranstaltung.

Um 14.30 Uhr versammelten sich laut Polizei 180 Studierende und andere Interessierte am Rubenow-Denkmal, um von dort aus gemeinsam (nach ersten einführenden Worten des StuPa-Präsidenten Adrian Schulz) zum Marktplatz zu gehen, wo sie von weiteren 100 Bürger*innen erwartet wurden.

Redner Rodatos vor dem Transpi des überparteilichen zivilgesellschaftlichen Bündnisses „Greifswald für Alle“ (Foto: Alexander Lenz)

Fabian Schmidt, AStA-Vorsitzender der Universität Greifswald, zeigte sich sehr erfreut über das große Interesse und bat als ersten Redner des Tages Julius Ungermann ans Mikrophon. Der Veranstalter tritt damit gleich den Beweis an, dass das eigentliche Thema dieser Veranstaltung das Miteinander der Menschen in Greifswald und nicht etwa die Pro-Contra-Arndt Diskussion ist. Julius Ungermann selbst ist Mitglied jener Bürgerinitiative pro Arndt, welche am Vortag eine Menschenkette in der Innenstadt bildete. Der Student ließ keinen Zweifel daran, dass er zwar das Verfahren des Senats der Universität nicht mitträgt, aber ein großes Problem damit hat, wer auf den Zug der Debatte aufspringt, um die Debatte für nationalistische und menschenverachtende Ideologien zu instrumentalisieren.

Ihm folgten Redebeiträge von Peter Madjarov und Professor Micha Werner, die ihrerseits zu der erschreckenden Entwicklung der Arndt-Debatte nach dem Beschluss des Senats Bezug nahmen und klar und deutlich, unter großem Applaus der Zuhörer*innen, vor der Vereinnahmung der Diskussion durch rechte und populistische Kräfte warnten. Allerdings sei es ebenso fatal, alle Arndt-Befürworter in die rechte Ecke zu stellen. Das Thema liegt vielen Menschen, besonders den gebürtigen Greifswaldern am Herzen und ist hoch emotional. Sie alle mit der FFDG, der AfD oder den rechten Gruppierungen, die sich auf der anderen Seite des Marktplatzes sammelten, in einen Topf zu werfen, würde den Menschen und der Debatte nicht gerecht.

Indes verließen immer mehr Menschen die Pro-Arndt-Kundgebung, auf der sich führende AfD-Mitglieder und FFDGler das Mikrophon in die Hand gaben. Während Norbert Kühl, Veranstalter und leitender Kopf der Greifswalder Pegida, sich wie gewohnt in Beleidigungen und unsachlichen Äußerungen übte (so bezeichnete er die Gegendemonstranten als „Kasper“ und „Deppen“), war es das große Aufgebot an eindeutig nationalistischen und rechtsgerichteten Teilnehmer*innen, das Anlass zur Sorge gaben.

Etliche Teilnehmer der FFDG-/AfD-Demo kamen aus dem rechtsextremistischen Umfeld. „Freiheit statt BRD“ ist ein klassischer NPD-Slogan.

Ein Bündnismitglied sprach mit drei dieser Menschen über ihre Beweggründe, „die Seite zu wechseln“:

„Denen geht es doch nicht um Arndt, das ist bestenfalls der Versuch eines AfD-Wahlkampfes,“ so B. Echrecher aus Greifswald, die sich am Samstag an der Menschenkette beteiligte.

„Gestern die CDU, heute die AfD. Bei aller Liebe zu Arndt, diese nationalistische Sprache, die Floskeln und Phrasen, das ist unerträglich und macht mir Angst“, so eine weitere Zuhörerin, die allerdings eher zufällig auf der „anderen“ Seite stand und sich „das Spielchen mal ansehen wollte.“

„Sehen Sie mal, wer da alles steht. Haben Sie das Banner gesehen? ‚Freiheit statt BRD‘. Da steht eine Glatze im SS-Mantel, Nazis, gegen die ich in den 90ern schon auf die Straße gegangen bin, der halbe NPD-Kader, die AfD und diese FFDG. Das ist eindeutig eine rechte Kundgebung, die uns jede Möglichkeit einer sachlichen Auseinandersetzung mit dem Thema Ernst Moritz Arndt nimmt. Ich ärgere mich, dass ich das nicht vorher erkannt habe, und ich kann nicht verstehen, wie unsere Politiker das so hinnehmen können, denn außer Herrn Rodatos, Herrn Neubert, Frau Wölk und Frau Schwenke sehe ich hier niemanden aus der Bürgerschaft.“, so Peter K. (75 Jahre und begeisterter Arndt-Befürworter).

Prof. Micha Werner, Rektor Dr. Flieger, Prof. Stamm-Kuhlmann und viele weitere Universitätsangehörige nahmen teil. (Foto: Alexander Lenz)

Anne Wolf sprach für das „Bündnis Greifswald für alle“ und fand klare Worte nicht nur zur Debatte Arndt, sondern auch und besonders über die FFDG, mit der sie sich – wie das gesamte Bündnis – seit Herbst 2015 konfrontiert sieht. Abschließend wandte sie sich darum an jene Menschen, die den Schulterschluss mit der Greifswald Pegida suchen:

„Man kann die Auseinandersetzung um Ernst Moritz Arndt gern führen; in einer Demokratie ist der Austausch über unterschiedliche und kontroverse Meinungen sowohl üblich als auch erwünscht. Aber man sollte das bestimmt nicht gemeinsam mit Leuten tun, die von unserer Demokratie nichts halten. Insofern gilt mein Aufruf allen Menschen auf der anderen Seite des Greifswalder Marktplatzes: Bleiben Sie nicht dort. Unabhängig von Ihrer persönlichen Meinung zu Ernst Moritz Arndt: Lassen Sie die FFDG alleine stehen. Sie sind keine gute Gesellschaft.“

Weitere Redebeiträge folgten von Professor Thomas Stamm-Kuhlmann, Mignon Schwenke und Milos Rodatos, während die selbsternannte „Großdemo Pro Arndt“ zusammenpackte und das Wohnzimmer unserer Stadt verließ. Bald verabschiedete auch Fabian Schmidt die Greifswalderinnen und Greifswalder in den Sonntagabend, nicht ohne seinen Dank an alle für die großartige Unterstützung auszusprechen.

„Das Bündnis Greifswald für alle unterstützte heute die Mitarbeiter*innen und Studierenden der Universität Greifswald in ihrem Anliegen, die gefühlte Distanz zwischen einheimischer Stadtbevölkerung und zugezogenen Studierenden und Wissenschaftler*innen zu verringern. Gemeinsam mit der Universität werden wir weiter daran arbeiten, Verständnis füreinander aufzubringen und in einem angemessenen Ton, frei von rechter Ideologie, über die Belange der Stadt zu diskutieren. Egal, ob pro oder contra Arndt, der Diskurs muss in gesitteten Bahnen und frei von Hass und Ausgrenzung geführt werden“, so Volkenand.

Fotos 1-3: Alexander Lenz, Foto 4: Straßentalk, Fotos 5-8: Till Junker